Die Talentsuche macht erfinderisch: Aus Mangel an Nachwuchs versprechen Agenturen Berufseinsteigern immer häufiger das „Blaue vom Himmel“. Statt Nebelkerzen zu werfen, sollte sich die Branche jedoch wieder auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren: eine gute Ausbildung verbunden mit sinnstiftender Arbeit.
Die aktuellen Recruiting-Herausforderungen lassen sich sehr genau anhand einer konkreten Situation auf der letzten GWA-Nachwuchsmesse adday/adnight in Düsseldorf verdeutlichen: Drei Topmanager sitzen auf der Bühne und bewerben sich als mögliche Arbeitgeber bei einer jungen Dame im Speeddating, die gerne einmal Luft in einer Agentur schnuppern will. Verkehrte Welt? Mitnichten.
Die Kräfteverhältnisse haben sich verdreht. Agenturmanager müssen sich quasi beim Nachwuchs bewerben. Die Talente entscheiden dann, ob sie sich einer der zahlreichen Agenturmarken anschließen – oder doch lieber der Industrie den Vorzug geben.
Ich ziehe aus dieser Beobachtung folgenden Schluss: Den Agenturlenkern täte es sicherlich gut, den persönlichen Anschluss zu den Berufseinsteigern wieder stärker zu suchen und ihnen mit mehr Respekt auf Augenhöhe zu begegnen.
ABER: Diese Erkenntnis wird oftmals ad absurdum geführt. Gönnerhaft wird den Talenten „Mehr“ für „Weniger“ geboten. Die Folge: ein Wettkampf der Zusatzleistungen, der vom eigentlichen Leistungskern unserer Branche ablenkt.
Agenturen werben für ihre offenen Stellen heute mit Leistungen wie Massagen, Kletterwänden, freies Essen und Mitarbeiter-Einkaufsvorteilen. Zudem treten eine flexible Wahl des Arbeitsortes und derzeiten immer stärker in den Vordergrund. Schlussendlich werden die Nebensachen zur Hauptsache.
Doch genau hier müssen wir einlenken und den Scheinwerfer wieder auf die Kompetenzen richten, die uns als Agenturen im Kern auszeichnen. Statt im Bewerbungsgespräch Nebenleistungen zu plakatieren, sollten wir unsere Fähigkeit zur „Wert-Schöpfung“ wieder ins Zentrum rücken – „Bei uns kannst Du was lernen“, „Bei uns kannst Du Dich entfalten“, „Wir haben spannende Kunden, für die wir wahrhaftige und mehrwertige Lösungen erdenken und umsetzen“.
Nur so werden wir auch dem Nachwuchs gerecht, der einen Anspruch hat, gefordert und gefördert zu werden. Der ein Arbeitsumfeld bekommt, in dem er lernen kann und seine Talente ausbaut. Schließlich ist der Berufseinstieg nicht die Zeit der Ernte, sondern die Zeit zum Sähen. Wer hier falsche Motive vortäuscht, mag kurzfristig seine offenen Stellen füllen. Dem Nachwuchs und der Branche hat er aber einen Bärendienst erwiesen.