# Kommunikation wird Service
Heute setzen Endkunden neue Ansprüche an Kommunikation: sie hat gefälligst individuell zu sein und Interaktion auszulösen. Wenn Werbung neu und besonders gut gedacht ist, ist sie wertvoll und mehrwertig. „Help me“ oder „Entertain me“ heißt die Devise. Im Idealfall ist Kommunikation so gut, dass Menschen sie aktiv suchen oder sogar für sie zahlen. Anstatt zu überreden, muss Werbung also eine Bewegung auslösen. Es herrscht Konsens, dass Marken mit ihrer Kommunikation nicht unterbrechen dürfen, sondern Anker werfen müssen, die die Kunden freiwillig greifen.
Der Nährboden für diese hohen Ansprüche ist die Technologie. Sie bietet Agenturen unfassbare Entfaltungsmöglichkeiten. Gute Ideen verbreiten sich heute in Windeseile. Mobile Endgeräte erlauben, ganz nah an den Menschen zu rücken und in persönliche Umfelder vorzudringen. Jeder Marken-Kontaktpunkt wird so auch unmittelbar zum möglichen Sales-Kontaktpunkt – gleich wann, gleich wo.
# Briefings sind eine Sackgasse
Diesen neuen Möglichkeiten steht eine klassisch geprägte Agentur-Kundenbeziehung gegenüber. Werbeagenturen sind alleine des Namens wegen in der Wahrnehmungsfalle: „Werbung“ klingt nach alter Welt – verächtlich wird sie zunehmend mit „bunten Bildern“ gleichgestellt.
Dazu passt, dass Werbeagenturen immer noch mit herkömmlichen Briefings für kommunikative Herausforderungen beauftragt werden. Kunden neigen dazu, Lösungen statt Probleme zu briefen. Teilweise mit konkreten Mediabudget- und -kanalvorgaben. Ein echter Geschäftsbezug ist nicht oder nur teilweise herstellbar. Die Ergebnisse sind vorhersehbar – wo Werbung gebrieft wird, ist Werbung im Ergebnis sehr wahrscheinlich und es entsteht zu selten Bemerkenswertes. Aus meiner Sicht eine bedrohliche Sackgasse. Daher sollte gelten: Briefings sind toll, aber nur, wenn sie nicht die Aufgabe, sondern das Problem konkretisieren.
# Briefing-Agentur wird Coaching-Agentur
Genau hier muss ein Umdenken stattfinden. Wir Agenturen müssen mutiger werden und aufhören, unsere Kunden als reine Umsetzungs-Dienstleister zu bedienen. Stattdessen sollten wir uns über kreative Wertschöpfung positionieren. Ob im Ergebnis klassische Werbung, ein Service, ein Produkt oder ein neuer Vertriebsansatz entsteht, sollte einzig der tatsächlichen Geschäftsherausforderung des Auftraggebers geschuldet sein.
Je besser wir die Business-Herausforderungen unserer Kunden verstehen, je tiefer unser Verständnis der wahrhaftigen Bedürfnisse der Endkunden ist und je besser wir die Marktmechanismen verinnerlichen, desto kreativer können wir auch für unsere Kunden Ideen mit Substanz schaffen. Ideen brauchen Fokussierung, Strategie heißt Reduktion und Konzentration. Erfolgreiche Agenturen suchen daher nicht nach Werbebriefings, sondern ergründen gemeinsam mit ihren Kunden die Geschäftsherausforderungen als Auftrags- und Kreativgrundlage.
Daher gilt: statt in der Rolle als Briefing-Agentur zu verharren, müssen wir uns als Coaching-Agentur positionieren und im Tagesgeschäft behaupten. Im Sinne des Wortes „Agentur“ haben wir die wahren Interessen unserer Kunden zu vertreten. Es zählt nicht, womit wir selbst am meisten Wert schöpfen, sondern womit wir das Kundenproblem am nachhaltigsten lösen. Daher ist die Entwicklung zu einer Coaching-Agentur auch unmittelbar mit der Fähigkeit zur Kooperation mit den unterschiedlichsten Realisierungspartnern verbunden.
# Werbungtreibende werden Werttreibende
Somit wünsche ich mir auf Kundenseite mehr Offenheit für die Problemlösungskompetenz von Agenturen. Statt ausschließlich an das kommunikative Endprodukt zu denken und Agenturen auch so zu beauftragen, sollte die Kraft auf die Formulierung der gemeinsamen Zielsetzung investiert werden.
Dann ändert sich auch die Wahrnehmung der eigenen Rolle aller Beteiligten innerhalb des Unternehmens. Statt Kostenstelle zu sein, werden die Kommunikationsbereiche als wertschöpfende Impulsgeber gesehen. Ausgestattet mit einem entsprechenden Selbstverständnis können die Werbekunden von einst zum Werttreiber von morgen werden.
Dabei hat die „Idee“ und Kreativität aus meiner Sicht Konjunktur. In Zeiten, in denen wir jeden, überall mit geringem Aufwand erreichen können, zählt nicht der Kanal. Es zählt der subjektiv empfundene Mehrwert der Kommunikation selbst. Es reicht nicht mehr Menschen zu erreichen. Kommunikation muss sie bewegen und persönlich berühren. Und genau das gelingt in einer Wertstiftungsallianz zwischen Agentur und ihren Kunden.
# Neues Selbstverständnis
Agenturen haben besonders gute Chancen, wenn sie selbstbewusst als Coach auftreten statt als Dienstleister. Ausgangspunkt einer kreativen Wertschöpfung ist nicht ein Werbebriefing, sondern ein klares Verständnis der zu lösenden Geschäftsherausforderung und der Ziele der Kommunikationsmaßnahme. Denn kreative Wertschöpfung heißt nicht zwangsläufig Werbung. Das hat der GWA bereits erkannt. Der Verband hat gut daran getan, sich vor einigen Jahren vom Zusatz „Werbung“ zu trennen und sich auf das „A“ für „Agentur“ zu konzentrieren. Wer sich Agentur nennt, hat auch einen klaren Anspruch: ein Vertreter für den Kunden und seine Interessen zu sein. Und wer weiß, vielleicht steht das „W“ in „GWA“ bald auch für „Wertschöpfung“.
Die Zeichen dafür stehen gut. Es ist Zeit ein völlig neues Selbstverständnis zu beweisen und das zu erreichen, worum es immer ging: Menschen bewegen.
Ersterscheinung auf GWA | Weniger Werbung – Mehr Coaching