Wenn es um den Einzelhandel geht, hat das Internet heute in vielen Fällen die Nase vorn. Bücher, DVDs, Elektronik, Kleidung und Schuhe – die meisten Waren bestellen wir bequem und komfortabel direkt vom heimischen Sofa aus.
Etwas schwieriger sieht es zwar noch in der Lebensmittelbranche aus. Doch auch hier tut sich langsam etwas. Immer mehr Händler liefern auf Online-Bestellung direkt nach Hause. Und auch Internetgigant Amazon will sich ein Stück des Kuchens sichern und offeriert jetzt auch Fruchtgummi, Instantnudeln und Vollkorn-Müsli über seinen Online-Shop.
Weniger stark wird zurzeit eine andere Entwicklung diskutiert: Der Einzelhandel holt zum Gegenzug aus und bringt das Internet zunehmend an den Point of Sale (POS). Eine der Ursachen ist, dass mobiles Internet den POS ohnehin mehr und mehr digitalisiert.
Burberry hat in London sein erstes digitales Geschäft eröffnet, in dem der POS quasi zur begehbaren Webseite umgestaltet wurde. Audiovisuelle Bildschirme und Social-Interaction-Terminals sind direkt in den Store integriert.
Nike will die Kaufentscheidung rund um den POS durch digitalen Content unterstützen. So bietet der Sportartikel-Hersteller den Kunden in seinem Flagship-Store in Berlin über einen Touchscreen die Möglichkeit, Echtzeit-Informationen aus den Communities zu beziehen.
Edeka versucht, seinen Kunden eine Brücke vom Netz direkt in den Supermarkt zu bauen. So lassen sich auf der Webseite über einen Rezepte-Konfigurator die passenden Produkte direkt in die ausdruckbare Einkaufsliste legen.
Noch weiter treibt es die Website Parsly mit Food intelligence. Nutzer können ein Rezeptfoto – egal von welcher Quelle – hochladen und erhalten einen auf die Anzahl der Personen berechneten virtuellen Warenkorb, den sie dann zum Beispiel beim nächsten Tesco-Supermarkt abholen können.
Das Internet wird also mehr und mehr zur Plattform für unterschiedliche Services und Anreize, die den in persona an den Point of Sale locken. Genau das ist für viele Händler die größte Herausforderung heutzutage: Die Kunden in die lokalen Shops zu bekommen, statt sie im preissensitiven Internet sich selber zu überlassen.
So entsteht eine neue Welle von Click & Collect-Angeboten. Kunden finden im Internet ihre Wunschprodukte und reserviere sie online vor, um sie später im Geschäft abzuholen. Dort können sie die Ware dann zugleich anprobieren und bei Nichtgefallen umtauschen. H&M hat dieses Prinzip optimiert und schafft es mit Online-Rabatten und Aktionen zunehmend, Kunden in die Filialen zu holen.
Connected Retail heißt diese hoch professionalisierte, digitale Antwort auf den E-Commerce:
Hier werden Produkte und Services im Internet beraten und dann der “Lead“ mit der Vorberatung an den Point of Sale weitergereicht. Ohne Informationsverluste wird anschließend die Beratung am POS weitergeführt.
Google und Amazon Flow sind die Feinde des Point of Sale
Viele Online-Großhändler erkennen bereits beim Aufrufen ihrer Seiten, was der Verbraucher durch Suchanfragen wünscht, und bieten die Produkte dann übersichtlich auf der Homepage an. Amazon geht mit “Amazon Flow” noch einen Schritt weiter. Über die App können Kunden überall Produkte scannen – und werden direkt in den Amazon-Store weitergeleitet. Bislang ist die zusätzliche Anwendung aber nur für Apple-User in den USA verfügbar. Doch wird es sicherlich nur eine Frage der Zeit sein, wann auch Android-Nutzer und der europäische Markt diese Funktion nutzen können.
Das wird den gegenwärtigen Trend, Preise direkt im Laden online zu vergleichen, noch verstärken. Immer mehr Kunden neigen dazu, ihre Einkäufe digital in Frage zu stellen und nach Gegenangeboten und Preisvergleichen zu suchen. Daher dürfte auch das Vergleichsportal Günstiger.de dem Einzelhandel ein Dorn im Auge sein. Denn hier können mithilfe eines Barcode-Scanners Produkte abgefragt werden und die Portale mit den günstigeren Preisen erhalten eine Platzierung.
Einzelhandel rüstet auf
Der klassische Handel rüstet sich verständlicherweise mit digitalen Services auf, um seiner Kundschaft weiterhin einen echten Mehrwert und ein Einkaufserlebnis zu bieten.
Kinect ist ein schönes Beispiel für ein echtes Einkaufserlebnis. Hier sind Kleideranproben ohne Umziehen über Displays möglich. Des Weiteren entstehen Services, in denen QR-Codes die gewünschten Kleidungsstücke scannen und Mitarbeiter sie im Anschluss in der Kabine zurechtlegen.
Neue Kooperationsmöglichkeiten zwischen Handel und Marken
So entstehen völlig neue Kooperationen zwischen Handel und den Marken. Diese sind meist eine klassische Win-win-Situation, weil die Markenhersteller auch die Erlebnisräume des Handels dringend suchen. Der Hersteller Hellmann’s, zum Beispiel, hat mit “Recipe Receipt” eine Aktion geboren, bei der bei Zahlung an der Kasse auf der Rückseite des Bons Rezeptvariationen ausgedruckt werden, die mit dem tatsächlich Einkauf kombinierbar sind.
HELLMANN’S RECIPE RECEIPT from NewWork on Vimeo.
Das Internet erobert also nicht nur den E-Commerce, sondern auch den Point of Sale. Immer mehr relevante und sinnstiftende Dienstleistungen entstehen dabei, um Kunden direkt an den Verkaufsort zu binden. Das Netz ist also auch eine Plattform, um Absatz und Kundenbindung in der Fläche zu steigern.
Zum Abschluss ein informativer Artikel über “Die bedrohtesten Händler Deutschlands.”