Marketing braucht mehr Einfachheit

Habt Mut zur Einfachheit! Dieser Post ist eine Hommage an die Reduktion und die Fokussierung. Er ist geschrieben aus der festen Überzeugung, dass alles Richtungsweisende einfach ist.

Im deutschen Kulturraum ist das Wort „Einfachheit“ nicht verbreitet. Näher steht uns jedoch der Begriff „Komplexität“. Zumindest zeigt die „Google Trends Analyse“ im Suchwortvergleich ein erstaunliches Ergebnis: „Komplexität“ ist bei den Suchanfragen doppelt so attraktiv wie „Einfachheit“. Da lohnt der Blick über den großen Teich. In den USA ist die Relation der Suchanfragen genau umgekehrt zum deutschen Ergebnis: „Simplicity“ wird doppelt so häufig gesucht wie „Complexity“.

Dabei ist hinlänglich bekannt, dass „Einfachheit“ im Marketing und in der Kommunikation eine Erfolgsformel ist:

Durch Reduktion auf das Wesentliche erhöht man Nachvollziehbarkeit, Merkfähigkeit und sogar Begeisterungsfähigkeit.

Einfache Produkte oder Services sind schneller verkauft, leicht verständliche Systeme und Prozesse werden schneller realisiert und akzeptiert. Komplexität hingegen schafft in der Regel Misstrauen und Ablehnung.

Auch ökonomisch spricht viel für die Reduktion auf das Wesentliche. Kosten und Komplexität steigen exponentiell, je mehr Artikel, Komponenten oder Regeln aufgestellt werden. Nach dem Pareto-Prinzip machen oftmals 20 Prozent der Kunden, Artikel oder Produkte 80 Prozent des Umsatzes aus. Dennoch leisten sich Unternehmen den Komplexitätsüberhang und vermarkten die Breite der Produktpalette statt sich zu fokussieren.

Einfachheit ist nicht simpel

In unserem Sprachgebrauch wird „einfach“ häufig mit „simpel“ verwechselt. Dadurch kommt es zu einer latent negativen Haltung und das Komplexe wird stattdessen als positiver begrifflicher Gegenspieler gepriesen. Ein Aufsatz wirkt fundierter, wenn er komplizierte Fachsprache verwendet. Im Marketing verschafft man sich Scheinrelevanz, wenn man verklausuliert formuliert. „Messbarer Erfolg“ wird dann zum „Key Performance Indikator“ und Kundenansprache zum „Targeting“.

Das Schlimmste: Wir selbst sind Verursacher dieser steigenden Komplexität. Dies gilt besonders in einer zunehmend vernetzten Welt, die immer und überall unsere Aufmerksamkeit fordert. Warum sind die Speisekarten der meisten Restaurants immer noch überfrachtet? Warum verkauft man bei Edeka 160 verschiedene Joghurtsorten? Warum sind die Automaten für Zugtickets noch so unübersichtlich?

Diesem Hang zur Komplexität setzen einige Marketiers mittlerweile effizientere Lösungen entgegen. Aldi Süd etwa fährt mit seinem „450 Artikel-Programm“ seit Jahren gut. Kommt ein neuer Artikel dazu, wird ein anderer gestrichen. Nun hat der Discounter das „Einfachheitsprinzip“ auch in seine Werbung gehoben und vermarktet sie als Nutzenversprechen und Unternehmenshaltung.

Einfache Aldi Werbung

Ein weiteres Beispiel ist die Deutsche Telekom: Mit Magenta 1 geht sie einen ähnlich konsequenten Weg und macht dem Branchenwahnsinn in der Tarif-Vielfalt ein Ende. Und vor allem weltweite Marktführer wie Google und Apple sind heute schon der Inbegriff der Einfachheit. Statt Expertenseite und -Computer beweisen sie die neue Form von „Simplicity“ in allen Anwendungen bis hin zu neuen Logos.

Einfachheit ist steuerbar: Ein drei Punkte Plan

Das Verb „vereinfachen“ (ver-1-fachen) verdeutlicht mit der Zahl „Eins“, dass es auf den einen Kern ankommt, auf den systematisch reduziert wird. Dabei liegt die Kunst der Vereinfachung darin, das Wesentliche herauszuarbeiten und das Überflüssige wegzulassen.

1. Weglassen

Es ist wie mit einem Plätzchenteig. Erst durch die Förmchen und das Ausstechen bekommt der Teig seine Kontur und damit seine Aussage.

Zen-Mönche trainieren kontinuierlich, ihr Wesen und ihr Handeln auf das Wesentliche zu reduzieren. So erreichen sie scheinbar übersinnliche Fähigkeiten. Ihre Erfolgsformel lautet „Konzentration“. So ist die Geschichte des Mönchs überliefert, der seine Talente wie folgt einordnet: „Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich esse, dann esse ich. Wenn ich spreche, dann spreche ich“. Auf die Frage, worin denn das Erfolgsrezept läge, antwortet er: „Wenn Ihr steht, dann lauft Ihr schon, wenn Ihr lauft, seid Ihr schon am Ziel“.

In der Vermarktung wird das Prinzip des Weglassens noch zu selten, aber dann umso wirksamer und auffälliger zelebriert. Gekonnt stellt Stihl seine Produktüberlegenheit in Szene – übrigens ohne viele Leistungsmerkmale zu beschreiben.

Auto wird gestoppt

Ähnlich gut gelingt es auch Miele, die Leistung ihres Produktes – etwa einem Staubsauger – in einer Außenwerbung schnörkellos zu zelebrieren.

Miele Werbung

Weglassen ist also ein Gewinn und nicht ein Verlust überflüssiger Details, die im Erstkontakt überhaupt keine Rolle spielen.

2. Übersetzen

Einfachheit braucht Ideen – gar kreative Übersetzungen. Gerade Marketer neigen gerne zum Detail und nehmen an, dass Informationen Mehrwert bieten. Doch in Wahrheit ist weniger oft mehr.

Die Reduktion lebt daher häufig vom Stilmittel der Inszenierung. Übertreibungen, Analogien, Kombinationen oder addierter Nutzen überstrahlen die Komplexität und helfen bei der Einordnung.

Wenn das „Kopfkino“ angeregt wird, kann sogar ein Wort eine ganze Welt beschreiben – beispielsweise „unkaputtbar“.

Mit diesem Begriff hat Coca-Cola einst die Plastikfalsche eingeführt und den Vorteil gegenüber der Glasflasche zelebriert. Ein anderes Beispiel aus der B2B-Branche ist die „Sounddusche“. Sie beschreibt die Leistungsfähigkeit eines Lautsprechers, der einen bestimmten Geräuschkegel beschallt. Steht man jenseits der Geräuschsäule kann man den Klang nicht hören.

Ein Wort kann also eine ganze Gedankenwelt öffnen. Überhaupt ist Sprache eine der wesentlichen Gestaltungselemente für „Einfachheit“. Goethe hat einmal formuliert: „Ich schreibe Dir einen langen Brief, weil ich für einen kurzen keine Zeit habe“. Neben dem Wort ist aber auch das Bild ein weiteres Instrument, um Komplexität zu reduzieren und den Vermittlungserfolg zu steigern. Ein Meisterstück der Übersetzung von Produktleistungseigenschaften kommt von der Marke Post-it. Wenn politisch auch nicht ganz korrekt, liefert ein Bild die ganze Produktgeschichte:

Post Type

Aus dem Hause Saatchi & Saatchi kommt etwa der BGH-Spot für Klimaanlagen, der durch kreative Bewegtbild-Übersetzung zeigt, warum man ein Gerät anschaffen sollte.

Hier der Spot: „Dads in briefs“

Wie eingangs beschrieben, kann Einfachheit zudem sowohl Nachvollziehbarkeit als auch Merkfähigkeit fördern. Ein probates Mittel dazu ist, Sachverhalte in eine Geschichte einzubetten und damit die zentral verfolgte Botschaft kommunikativ zu inszenieren. Denn es war schon immer so, dass der bessere Geschichtenerzähler den besten Platz am Lagerfeuer hatte. Geschichten vereinfachen und unterstützen die Merkfähigkeit. Sie lassen zu, dass man sie wiedergibt, ohne die Details kennen zu müssen. Gerade in einer digitalen und flüchtigen Zeit sind Geschichten Gold wert, weil sie sich viral entfalten.

Der Roboterhersteller Kuka setzt beispielsweise mit seiner Geschichte vom Tischtennisweltmeister und dem Roboter-Gegner Maßstäbe wenn es um die Übersetzung der Leistungsfähigkeit der technischen Helfer geht.

Hier der Spot: „The Duell“

Wo Menschen durch Roboter ersetzt werden sollen, liegt der Beweis nahe, dass Roboter auch Menschen in ihren Kerndisziplinen herausfordern können.

Inhalte zu übersetzen ist also ein probates Hilfsmittel, um die Komplexität zu entschärfen und Menschen eine Brücke zu bauen, die Dinge mit Mustern zu begreifen, die ihnen bekannt sind.

3. Emotionen auslösen

Wenn Kommunikation Emotionen auslöst, öffnen sich Menschen der Botschaft. Durch ein Lachen, ein Weinen oder einen Schreck dringen Botschaften zu den Menschen durch. So entsteht eine Selbstbetroffenheit und eine persönliche Verbindung mit dem Stimulus.

Genau das ist der magische Moment, in dem eine Botschaft Vertrauen aufbaut, weil sich der Zuschauer öffnet und sie an sich heranlässt. Vertrauen wiederum senkt Transaktionskosten, weil Reibungsverluste gemildert werden. Schlussendlich bedeuten niedrigere Transaktionskosten, dass Unternehmen weniger ausgeben müssen bzw. mehr mit dem Eingesetzten erreichen. Daher gilt:

Emotionen bauen Vertrauen auf, Vertrauen senkt Transaktionskosten, damit gilt: Emotionen sind Effizienz.


Gefühle sind also ebenfalls ein zentrales Instrument zur Vereinfachung. Wenn Marken Menschen berühren, können sie die Botschaft leichter aufnehmen, und sie wirkt intensiver.

Ein gelungenes Beispiel kommt aus dem Haus Vorwerk. Ein Spielzeugroboter verliebt sich in einen Saugroboter. Beobachter lassen diese Liebesgeschichte gerne an sich heran, sind sogar bereit sie mit anderen Menschen freiwillig zu teilen, weil sie berührt. Dass scheinbar nebensächlich alle Leistungskomponenten des Produktes demonstriert werden, nimmt der Zuschauer gerne in Kauf.

Hier der Spot: „Roboterliebe“

Emotionen helfen, Botschaften näher an den Menschen zu bringen. Statt einer bloßen Beschallung reagiert der Mensch und ist aufnahmebereiter, was wiederum den Vermittlungsprozess von Botschaften vereinfacht.

Fazit: Einfachheit ist besser

Für Produkte, Services, Kommunikation aber auch Prozesse gilt: Einfachheit ist besser, weil merkfähiger, nachvollziehbarer und begeisterungsfähiger. Statt „Einfachheit“ jedoch zu versprechen, sollten Unternehmen sie demonstrieren und erlebbar machen. Die drei wesentlichen Hebel dazu sind: Reduktion, kreative Übersetzung sowie Emotionalisierung. Natürlich ist „Einfachheit“ schwer erreichbar, braucht Geduld, Überzeugungskraft und Mut. Aber der Erfolg wird die Mühen lohnen. Denn weniger ist mehr. Oder wie Leonardo Da Vinci es schon wusste:

Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung.

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Marken- und Digitalisierungsexperte.
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